Wer ein Gedicht nicht erleben kann, dem wird auch kein Erlebnis zum Gedicht werden. (Peter Sirius, 1858 - 1913)

Sonntag, 22. Juni 2014

Gefangener des eigenen Geistes - klasse Gedicht von einer klasse Dichterin

... besser kann man das fast nicht ausdrücken, für mich ein Gänsehaut-Gedicht:



Gefangener des eigenen Geistes von Ute Heier

Ein Gefangener des eigenen Geistes sein ...

Wenn man sich in einer solchen Verfassung befindet, wie dieses Gedicht sie beschreibt, ist es sehr schwer, da alleine wieder herauszukommen und auch sehr schwer, Vertrauen zu Anderen
Bild von Nilufer Onursal
zu fassen. Man ist in seiner eigenen Gedankenwelt quasi gefangen.  

Aufgrund meiner Kindheitserfahrungen haben mich diese Themen schon in meinen frühen "Dichter"-Tagen beschäftigt (z.B. Vertrauen - ein frühes Gedicht über Angst und Einsamkeit) und auch in letzter Zeit musste ich mich wieder damit auseinander setzen.

Ich denke, wir sind nunmal "Herdentiere" und wir brauchen andere Menschen, um uns in Ihnen zu spiegeln - um zu sehen, wie sie uns sehen. Je mehr soziale Kontakte wir haben, umso mehr Spiegel haben wir - je näher die Beziehungen sind, umso ehrlicher sind diese Spiegel. Wenn wir den Schmerz in den Augen eines geliebten Menschen sehen, wenn wir ihm ein böses Wort sagen, aber auch die Freude oder Bewunderung, die ein Mensch, der uns liebt, empfindet und uns mitteilt oder in seinem Verhalten zeigt, wenn er uns sieht. Oder wir sehen an Anderen Verhaltensweisen, die wir an uns selbst nicht mögen... Wir brauchen diese Spiegel, um sie mit unserem Selbstbild abzugleichen. Insbesondere dann, wenn wir ein gestörtes Selbstbild oder ein gestörtes Körperbild haben.  (Ich kannte mal ein magersüchtiges Mädel von 23 Jahren, ca 180 cm groß mit knapp 39 kg - ein Skelett mit Haut überzogen ! - Wenn dieses Mädel in den Spiegel sah, sah sie eine "dicke, häßliche Preßwurst".)

Natürlich sind andere Menschen keine exakten Spiegel - wir stammen zwar alle aus einem Gen-Pool und haben ähnliche Emotionen, Reaktionen und Verhaltensweisen ... doch sind wir auch alle Individuen - Variationen des Lebens - und wir haben auch unterschiedliche Lebenserfahrungen und daraus resultierende Bewertungen in unserem Kopf.

Dieses Bewertungssystem ist ja an sich etwas Sinnvolles, es hilft uns z.B. bekannte Gefahrensituationen nicht erst lange analysieren zu müssen bis es vielleicht zu spät ist, um angemessen zu reagieren. Ein erfahrener Autofahrer kann eine Situation viel schneller und korrekter erfassen und entsprechend reagieren als ein unerfahrener - den Probeführerschein gibt es schließlich nicht umsonst.

Bewertungen, die unser Gehirn einmal gelernt hat, können aber auch wie ein Filter, eine Brille oder ein Splitter im Auge sein, durch die wir die Wirklichkeit sehen. Wir sehen Spiegelungen in anderen Menschen, die wir evtl. fehl-interpretieren, weil wir sie falsch gelernt haben... Und manchmal sind einem diese ganzen Spiegelungen dann einfach zuviel und zu verwirrend und man zieht sich in ein Schneckenhaus zurück - isoliert sich - will sich dem nicht mehr aussetzen - so ging es mir lange Zeit. Dann kann genau das passieren, was Frau Heier in ihrem Gedicht so treffend beschreibt - man dreht sich im Kreis - kommt nicht weiter - spiegelt nur die eigenen Gedanken. Das geht jedem einmal mehr oder weniger so, wenn er ein Problem hat, mit dem er alleine nicht weiterkommt. 

Dauert diese belastende Situation aber zu lange an, dann kann das emotional so schmerzhaft sein, daß man auch die eigenen Emotionen nicht mehr wahrnehmen will oder kann ... die einem ja auch wie ein Spiegel sagen, daß es einem nicht gut geht... viele Menschen werden dadurch seelisch und körperlich krank. Sie leiden an einer psychosomatischen Krankheit. Grob zusammengefasst, kann man auch hier sagen, der Körper spiegelt uns unseren Zustand, indem er krank wird. ... Indem er z.B. Schmerzen erzeugt, die wir nicht mehr ignorieren können, für die aber keine rein körperlichen Ursachen zu finden sind, ganz egal wie gründlich wir uns untersuchen lassen.  

Die Anzahl der Psychsosomatischen Krankheiten, der Burnouts und sonstigen Depressionserkrankungen steigt erschreckend, Therapeuten und Kliniken mit Psychosomatiktherapien haben Wartezeiten von mehreren Monaten, ... die Aufklärung ist immer noch mies, das Thema wird in der Gesellschaft immer noch tabuisiert... Gibt man offen zu, daß man eine solche Krankheit hatte bzw. hat, wird man abgestempelt als "nicht belastbar", als "Drückeberger" oder gar als "Verrückter" .... 
  • Wie bewerte ich - mit meinen ganz eigenen Erfahrungen - nun die Realität ?
  • Habe ich immer noch eine zu schwarze Brille auf der Nase ?
  • Nun, dann ist das vielleicht so, aber ich hoffe ja, daß ich hierdurch ein paar Spiegelungen von anderen Menschen (mit/ohne ähnlichen Erfahrungen) bekomme.  :-)

Meine Interpretation der Realität sieht zur Zeit so aus:

Viele Betroffene machen eine jahrelange teils jahrzente-lange Odyssee durch verschiedene halbherzige 0815-Therapien mit, die nur an den Symptomen rumdoktoren und wie ein Plaster auf eine vereiterte Wunde wirken.
 
Als Kassenpatient darf man - wegen der Kostenersparnis - ersteinmal nur in die nächstgelegene Klinik, nicht in die Passende. Und wenn man Pech hat, legt diese Klinik mehr Wert darauf, für mehrere Millionen ein neues Gebäude mit Kneippanlage zu bauen, statt mehr Therapeuten einzustellen. Denn durch die Anlage kann sie den Krankenkassen mehr Geld aus der Tasche leiern. Nun, die Patienten dieser Klinik haben bei ihrem Therapeuten dann immerhin noch eine 1/4 - Stunde, also ganze 15 Minuten in der Woche (!) Gesprächszeit zur Verfügung. Ansonsten heißt es "Kneippen, Tagesstruktur, Körbe basteln, Friß oder Stirb". Wenn es ganz übel läuft, hat man manchmal den Eindruck, als befinde man sich in einem dieser Bootcamps

Zudem macht der Personalmangel und die daraus resultierende Überlastung auch dem engagiertesten Therapeuten oder Pflegepersonal irgendwann den Garaus. Diese Leute kommen irgendwann selbst an den Rand eines Burnouts, oder sind zumindest gestresst, genervt .... haben keinen Bock mehr ... so ein Job mit kranken Menschen ist ziemlich anstrengend.(In "guten" Kliniken werden z.B. spezielle, regelmäßige Supervisions-Programme und Trainings für die Mitarbeiter durchgeführt.)

Individuelle Therapie in einer Klinik, die ihren Auftrag wirklich ernst nimmt und auf einen wertschätzendem Umgang mit ihren Patienten achtet, kostet Geld. Und leider viel zu oft gibt es das nur für Privatpatienten oder man hat einfach Glück oder man muß mit dem Rechtsanwalt dafür kämpfen. ... Um einer gesetzlichen Krankenkasse zu sagen "So geht das nicht weiter!". Die Kassen sitzen fest auf ihrer dicken Kohle und schneiden sich letztendlich doch nur ins eigene Fleisch. Wenn man in entprechende Foren schaut und sieht, wieviele Leute schon solch eine jahrelange Odyssee durch verschiedene Therapien durchgemacht haben. Ja, sie haben es mit sich machen lassen! Aber wie soll sich einer wehren, der es vielleicht tagelang nicht mal schafft, zum Einkaufen aus dem Haus zu gehen ?


...hmm ... ich merk' schon, ich bin "etwas" vom ursprünglichen Thema abgekommen,
... aber egal, dieser Frust musste einfach mal raus ....ich hab nämlich keinen Bock, mich jemals wieder wie so ein  Gefangener des eigenen Geistes zu fühlen ;-) 


 
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